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Mutmaßlicher Täter des Massakers von Paris kurz vor Prozessbeginn tot aufgefunden:


Kein Vergessen, kein Vergeben! Wir fordern Gerechtigkeit!


Sakine Cansız wurde 1958 in Dersim (Tunceli) geboren und gehörte zu den Gründungsmitgliedern der 1978 gegründeten PKK (Arbeiterpartei Kurdistan). 1979 wurde sie noch vor dem Militärputsch in der Türkei am 12. September 1980 aufgrund ihrer politischen Aktivitäten inhaftiert. In ihrer zwölfjährigen Haftzeit war sie schwerster Folter ausgesetzt. Aufgrund ihres entschlossenen Widerstands im Gefängnis wurde sie zu einer Symbolfigur des kurdischen Frauenbefreiungskampfs. Als erste Frau der PKK leistete sie vor dem Putschgericht in Diyarbakir eine politische Verteidigung. Nach ihrer Entlassung 1991 führte sie ihren Kampf an verschieden Orten im Mittleren Osten weiter. 1998 erhielt Sakine Cansız politisches Asyl in Frankreich. Seitdem engagierte sie sich vor allem in Europa politisch für eine Lösung der kurdischen Frage, in der Organisierung von KurdInnen in Europa und für die Frauenbefreiung. Darunter auch in Deutschland, wo sie 2007 in Hamburg aufgrund eines Auslieferungsgesuches der türkischen Regierung kurzzeitig in Haft saß. Sie war Mitglied des Kurdischen Nationalkongresses (KNK) mit Sitz in Brüssel. Sakine Cansız gilt unter der kurdischen Bevölkerung in Kurdistan und der Diaspora als eine Symbolfigur des kurdischen Frauenfreiheitskampf.

Leyla Şaylemez wurde 1988 als Tochter einer aus Amed (Diyarbakir) stammenden kurdischen Flüchtlingsfamilie geboren. Sie wuchs in der türkischen Stadt Mersin an der Mittelmeerküste auf, wohin ihre Familie aufgrund von politischer Verfolgung geflohen war. In den 90er Jahren war ihre Familie erneut aus politischen Gründen zur Flucht gezwungen und kam nach Deutschland. Neben ihrer Schule engagierte sich Leyla Şaylemez im kurdischen Kulturverein in Halle. Geprägt von ihrer Vergangenheit und dem aktuellen Geschehen in ihrer Heimat brach sie ihr Architekturstudium ab und widmete sich von da an voll und ganz der politischen Tätigkeit als Aktivistin der kurdischen Jugendbewegung in Europ

Fidan Doğan wurde 1982 geboren und wuchs in Elbistan (Nordkurdistan/Türkei) auf. Als Kind migrierte sie mit ihrer Familie nach Frankreich. Dort engagierte sie sich in der kurdischen Kulturarbeit sowie in der kurdischen Jugendund Frauenbewegung. Seit dem Jahr 2001 übernahm sie eine aktive Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit des Kurdistan Nationalkongresses (KNK). Seit einigen Jahren war Fidan Doğan die verantwortliche Vertreterin des KNK in Frankreich. Auch außerhalb von Frankreich war sie als Diplomatin des KNK aktiv. Trotz ihres jungen Alters verfügte sie über große Erfahrung in der politischen und diplomatischen Arbeit. Es gelang ihr, ein breites Solidaritätsnetzwerk für die kurdische Bewegung in Frankreich aufzubauen.

Informationsdossier 

Am 9. Januar 2013 sind die drei kurdischen Politikerinnen Sakine Cansız, Leyla Doğan und Leyla Şaylemez mitten in Paris ermordet worden.

 

Im Januar 2017 sollte der Prozess zur Aufklärung dieses politischen Mords starten. Doch kurz vor Prozessbeginn ist der Hauptangeklagte Ömer Güney in seiner Zelle tot aufgefunden worden. Sakine Cansız war eine herausragende Persönlichkeit und lebende Legende im kurdischen Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung. Geboren wurde sie 1958 in der kurdischen Stadt Dersim, welche die letzte Station einer Reihe von kurdischen Aufständen gegen türkische Unterdrückungspolitik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts darstellt und 1937/38 einem Genozid zu Opfer gefallen ist. Sakine Cansız engagierte sich früh politisch und gehörte 1978 zu den Mitgründerinnen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Im Zuge des Militärputschs 1980 wurde sie verhaftet und ins Militärgefängnis von Diyarbakir gebracht. Mit extremer. Form von Folter, die jegliche Vorstellungskraft bricht, sollte der Widerstand gebrochen werden. Auch Sakine Cansız wurde physischer, psychischer und sexueller Folter ausgesetzt. Aber sie beugte sich nicht und wurde zur bahnbrechenden Führerin des Widerstands in den Gefängnissen gegen das faschistische Regime in der Türkei. Nach ihrer Haftentlassung führte sie ihren Kampf in den Bergen Kurdistans und in den Städten Europas fort und kämpfte unermüdlich für die Befreiung der Frau und die Freiheit sowohl ihres eigenen Volks als auch der Menschheit gegen jegliche Art von Unterdrückung. Fidan Doğan war Repräsentantin des Kurdischen Nationalkongress (KNK). Sie hatte sich 1999 17jährig dem kurdischen Befreiungskampf angeschlossen und sowohl in Paris als auch
in Brüssel maßgeblichen Beitrag geleistet, um den Kampf der KurdInnen der Weltöffentlichkeit näherzubringen und den Grund für internationale Zusammenarbeit zu legen. Die 24jährige Leyla Şaylemez war Teil der kurdischen Jugendbewegung. Sie trug den Nom de guerre „Ronahi“, was Licht bedeutet. Sie leistete große Arbeit in der autonomen Organisierung von jungen Frauen. Am 9. Januar 2013 befanden sich alle drei Frauen im Kurdistan Informationsbüro im Stadtzentrum von Paris. Überwachungskameraaufnahmen zeigen, wie Ömer Güney zur Tatzeit mit einer Tasche in der Hand in das Büro geht. Der mutmaßliche Täter hat dort Sakine Cansız, Leyla Doğan und Leyla Şaylemez mit einer Schusswaffe ermordet. Dieser politische Mord hat sowohl in der kurdischen Bevölkerung als auch in der Weltfrauenbewegung unvergleichliche Wut und Trauer ausgelöst. Nur wenige Tage nach der Ermordung der drei Frauen sind in Paris über 100 Tausend Menschen auf die Straße gegangen. Der Leichnam der Frauen ist in der kurdischen Hauptstadt Diyarbakir von mehreren Millionen Menschen empfangen worden. Wenige Tage nach der Tat ist Ömer Güney als Hauptverdächtiger verhaftet worden.
Tonaufnahmen belegen, dass er vom türkischen Geheimdienst MIT damit beauftragt worden ist, führende kurdische PolitikerInnen in Europa zu ermorden. Nachforschungen haben außerdem gezeigt, dass es sich bei ihm um einen verdeckten Ultranationalisten handelt, der in Süddeutschland in Kontakt mit dem türkischen Geheimdienst getreten ist und mit dem Auftrag politischer Morde nach Paris gegangen ist. Ömer Güney besaß die deutsche Staatsangehörigkeit und hat sich in Deutschland im Milieu türkischer Ultranationalisten betätigt. Dass dies dem Verfassungsschutz nicht bekannt gewesen sein soll ist zu bezweifeln. In diesem Sinne kommt neben den französischen Behörden Deutschland große Verantwortung und Mitschuld zu. Nicht nur, dass deutsche und französische Behörden diesen politischen Mord nicht verhindert haben. Hinzu kommen die dubiosen Umstände, unter denen der mutmaßliche Täter gestorben ist. Obwohl die französische Staatsanwaltschaft ihre Anklageschrift zum 9. Juli 2015 fertiggestellt hat, wurde der Prozessbeginn erst für Januar 2017 angesetzt. Die französischen Behörden waren sich hierbei des ernsten gesundheitlichen Zustands des Angeklagten bewusst. Haben sie den Prozessbeginn ständig aufgeschoben, damit der mutmaßliche Täter vor Prozessauftakt verstirbt und dieser politische Mord so nicht aufgeklärt wird? Und welche Rolle spielt hierbei die Ernennung des damaligen türkischen Vize-Geheimdienstleiters als türkischen Botschafter in Paris im Sommer 2015? Seit drei Jahren kämpfen wir kurdische Frauen für Gerechtigkeit. Jeden Mittwoch demonstrieren wir für die Aufklärung des Massakers von Paris. Wir werden unter keinen Umständen zulassen, dass auch dieser politische Mord in den Aktenschränken in Vergessenheit gerät. Wir werden solange kämpfen, bis alle Dimensionen dieser kaltblütigen Tat aufgeklärt sind und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen sind.


Kein Vergessen, kein Vergeben! Wir fordern Gerechtigkeit!


Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
Im Januar 2017

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